Die Kraft der Brückenmusik

Wie ein Strassenmusiker in Paris für einen kurzen Moment Frieden in den hektischen Alltag bringt.

Manchmal bildet sich auf einem Platz ein Kreis um sie, manchmal sitzen sie mit ihrem Instrument einsam unter einer Laube. Meist begegne ich ihnen, wenn ich mich in der Stadt bewege: Strassenmusikerinnen und Strassenmusikern. Sei es in Bern, Paris, wo auch immer.

Wenn ich aus der Ferne einen Dudelsack höre, staut sich bei mir ein Gefühl an, als würde mein Inneres gleich platzen. Es ist dasselbe Gefühl wie bei einer Demonstration, wenn sich viele Leute zusammentun und für etwas einstehen. Beides berührt mich mit unaufhaltsamer Wucht. So auch die irische Folklore des bärtigen Strassenmusikers, der so oft vor der Heiliggeistkirche in der Stadt Bern spielt und tanzt.

Einmal holte mich der Klang von Strassenmusik ganz sanft ab. Ich schreite in Paris auf der Insel Saint-Louis Richtung nördliches Festland. Als ich gerade an der Brücke Saint-Louis vorübergehen will, trägt der Wind eine singende Stimme zu mir. Sie zieht mich auf die Brücke. Dort steht ein Mann mit Gitarre und Mikrofon. Unten fliesst die Seine hindurch, bauscht sich auf und glättet sich wieder. Die Leute kommen und gehen. Der Musiker bleibt. Ein kurzer Zauber, ein Hauch Melancholie. Mein Blick verweilt auf der Notre Dame am anderen Ende der Brücke. Und da übernimmt die Brücke eine symbolische Rolle: Hinter mir der Stress, vor mir eine friedliche Klarheit.

Abrupt setzen zwei Polizisten dem Ganzen ein Ende. Der Musiker muss zusammenpacken.

Ernüchtert, aber den Tank gefüllt mit Gelassenheit, flaniere ich weiter. Da denke ich mir: Wie schön es doch wäre, Strassenmusik auf dem Altenbergsteg oder der Kornhausbrücke zu hören. Allerdings bin ich auf Berner Brücken noch nie Strassen­musik begegnet, obwohl doch klar wäre: Die Brückenstrassenmusik gehört nicht nur nach Paris, Bern braucht sie auch.