Diese Hunde sind dem Schädling auf der Spur

TRAININGSBESUCH IN BÜTZBERG Bockkäfer aus Asien treiben in Europa ihr Unwesen. Natürliche Feinde haben sie hier keine – abgesehen von Spürhunden. Zwei gehören Sabine Heiniger aus Wangen an der Aare.

Die aufmerksame Hündin Csilla verfolgt die Käferspur erst, wenn Sabine Heiniger ihr das Kommando gibt. © Marcel Bieri

Sabine Heiniger bückt sich zu ihrer Hündin Csilla hinunter, flüstert ihr «Japonica» ins Ohr und gibt ihr ein Handzeichen. Csilla trabt sofort los und lässt ihre Schnauze durch die Rosenbüsche streifen. Dann bleibt sie stehen, hält die Nase in die Luft und schnuppert. Sie soll dem Zitrusbockkäfer auf die Spur kommen.

Das Team Anoplophora-Spürhunde Schweiz trainiert an diesem Sonntag in Bützberg auf dem Areal der Baumkultur Ingold zwischen Bäumen und Sträuchern. «Wir sind in ganz Europa die einzige Gruppe, die mit Spürhunden im Einsatz ist, um den Käfer aufzuspüren», sagt Daniel Hagemeier, der die Interessengemeinschaft 2012 gegründet hat.

In der Schweiz ausgerottet

Die Methode bewährt sich: In Winterthur konnte das Team laut Hagemeier 2016 den Asiatischen Laubholzbockkäfer ausrotten. Das war der grösste Befall in der Schweiz. Seit 2019 haben die Anoplophora-Spürhunde nur noch im Ausland Aufträge: vor allem in Frankreich, aber auch in Italien und Deutschland. Erst gerade ist die Gruppe mit ihren Hunden von einem Einsatz heimgekehrt: «Wir reisten ins französische Royan am Atlantik, um den Zitrusbockkäfer zu bekämpfen», sagt Sabine Heiniger. Wegen des Coronavirus brauchten sie dafür eine Sonderbewilligung.

Sabine Heiniger lebt in Wangen an der Aare und gehört seit eineinhalb Jahren zum sechsköpfigen Team. Vorher spürte sie mit der heute 6-jährigen Hündin Csilla Menschen in Trümmern auf. Dann suchte die Wangerin nach einer Umorientierung und entdeckte bei einem Aarespaziergang ein Loch im Baum. Das brachte sie auf die Idee, mit ihrer Hündin bei der Schädlingsbekämpfung mitzuhelfen.

Das Wüten des Schädlings

Daniel Hagemeier, der mit seinem Team von Anoplophora-Spürhunde Schweiz den Schädling bekämpft, erzählt, wie der Asiatische Laubholzbockkäfer von China in die Schweiz gelangte: «Das war vor elf Jahren. Die Larven waren in ungenügend behandelten Holzpaletten von Frachtschiffen.» Der Zitrusbockkäfer versteckte sich etwa in importierten Rosensträuchern. Die Bockkäfer aus Asien sind um einiges grösser als der einheimische Borkenkäfer.

Doch im Gegensatz zum Borkenkäfer hat der importierte Schädling hier keine natürlichen Feinde. Folglich kann er in den Bäumen Eier legen. Die geschlüpften Larven fressen sich durch das Holz, bis eine sogenannte «Puppenwiege» entsteht. Dann fliegen sie entpuppt aus den eigens gemachten Löchern, um den Schaden bei der nächsten Pflanze anzurichten. Kann der Käfer sein Unwesen unkontrolliert treiben, fallen die Bäume irgendwann um – und treffen im schlimmsten Fall einen Menschen. Deswegen werden bei den Trainings auch nicht lebende Käfer ausgesetzt – der Asiatische Laubholzbockkäfer muss aus Sicherheitsgründen in Quarantäne gehalten werden –, sondern Holzspäne, an denen Speichel und Exkremente der Larve kleben.

Wenn Csilla durch die Rosensträucher auf dem Areal der Baumkultur Ingold streicht, tut sie das ziemlich selbstständig. «Wir wollen sie nicht mit Kommandos ablenken, ihr feiner Geruchssinn soll sie leiten», erklärt Daniel Hagemeier. Nur zwischendurch weist Sabine Heiniger Csilla an, wohin sie noch gehen soll.

Das unsichtbare Band

«Die Verbindung zum Tier ist wie ein durchsichtiges Band», sagt Hagemeier. Deswegen sei es auch so wichtig, dass es sich um Familienhunde handle – die Beziehung zwischen Mensch und Tier also über die Arbeit hinausgehe. Und, wo das Team mit den Hunden arbeite, etwa in Parks, habe es auch Kinder. Deshalb müssten die Hunde ruhiger Natur sein.

Nach einigen Minuten findet Csilla die versteckte Probe und erhält eine Belohnung. Jetzt hat sie sich eine längere Pause verdient. Denn die Suche brauche ihre volle Konzentration, sagt Hagemeier: «Das ist Hochleistungssport.»

Wo sind die Holzspäne mit dem Larvenspeichel versteckt? Csilla sucht mit ihrer feinen Nase in den Ahornblättern. © Marcel Bieri

Bevor Sabine Heiniger ihren anderen Hund Bingo losschickt, befeuchtet sie seine Nase: «Dadurch kann er die Witterung besser aufnehmen», sagt sie. Dann sprüht sie noch etwas Puder in die Luft: «So sehe ich, aus welcher Richtung der Wind kommt.» Doch manchmal ist das gar nicht so eindeutig: An einem Ort weht das Puder nach Osten, zwei Meter daneben weht es nach Süden.

Daniel Hagemeier sagt: «Der Hund schlägt jeweils nicht direkt vor dem befallenen Baum Alarm.» Je nach Windstärke belle er 15 Meter vom Ziel entfernt. Und dann könne es noch 17 Meter in die Höhe gehen. Deswegen komme zwischendurch auch ein Hebelift zum Einsatz: Hoch oben schaut sich dann jemand von der Baumpflege das Ganze an.

Die flinke Spürnase

Der 18-monatige Bingo ist schneller unterwegs als Csilla. Beim Zuschauen entsteht ein Eindruck, als ob er die Spur gar nicht wahrnehmen würde. Aber: «Da geht extrem viel ab, was wir Menschen nicht mitbekommen», sagt Daniel Hagemeier. Und die unterschiedlichen Stärken der Hunde seien wichtig: «Csilla ist mit ihrer Behutsamkeit etwa für Rosensträucher geeignet.» Bingo hingegen könnten sie sehr gut in weitläufigen Parkanlagen einsetzen. Gibt es also bestimmte Hunderassen, die sich eignen? Er entgegnet: «Nein, entscheidend ist der Charakter.»

Dann bellt Bingo. Er hat die Holzspäne gefunden. Freudig springt er umher. Sabine Heiniger strahlt stolz, bückt sich und gibt ihm eine Belohnung.