In Eriswil fehlen beim Hornussen weibliche Vorbilder. Im Nachwuchsteam ist gerade mal ein Mädchen.
Steigt man in Langenthal ins Auto und in den Hügeln von Eriswil wieder aus, erwartet einen eine Erfrischung. Bestimmt drei Grad kühler ist es am Zielort. Die Gedanken klären, das Gemüt beruhigt sich. Dann hört man einen Schlag: Träf trifft Hornuss. Zweiter Schlag: Schindel holt Hornuss zu Boden, das sogenannte Abtue. Auf einem Feld auf dem Grunholz findet ein Nachwuchstraining der Hornussergesellschaft Eriswil statt.
Die 7-jährige Celine Krähenbühl hornusst seit knapp zwei Jahren. Ihrer Körpergrösse angepasst, hat sie eine kürzere Version des Steckens – zum Schlagen – und der Holzschindel – zum «Abtue» des Hornusses.

Bis 16-jährig gilt sie als Nachwuchs. Danach treten die Spielerinnen und Spieler in ein Erwachsenenteam über. Doch immer mehr Jugendliche hörten nach der obligatorischen Schulzeit auf, sagt der Nachwuchsbetreuer Stefan Röthlisberger. Entweder wegen der fehlenden Zeit oder anderer geweckter Interessen.
Krähenbühl ist das einzige Mädchen im Nachwuchsteam von Eriswil. Doch sie lasse sich von den Jungs nicht unterkriegen, sagt der Nachwuchsbetreuer über sie. Ob sie wohl dem Trend, mit 15 Jahren aufzuhören, Widerstand leistet? Weibliche Vorbilder gibt es in Eriswil nur wenige.

Bei den Erwachsenen hat es gerade mal zwei Frauen. Eine von ihnen ist die Tante der 7-Jährigen. Christa Krähenbühl hornusst, seit sie so alt war, wie Celine heute ist. Ihre Mutter hatte sie zuerst in eine Turngruppe für Mädchen geschickt. Doch Christa Krähenbühl widerstrebte das.
Da nahmen sie ihr Vater und der ältere Bruder mit zum Hornussen – genau wie bei Krähenbühls 7-jähriger Nichte. Bereits ihr Urgrossvater habe den Stecken geschwungen. Doch eine weibliche Mehrheit im Team vermisste Krähenbühl nie, sagt sie. Die Durchmischung der Geschlechter mache es aus.
Mit der Pubertät wächst der Unterschied
Mädchen stünden den Jungs in nichts nach, sagt Röthlisberger. Ein Mädchen könne den Hornuss genauso weit schlagen wie ein Junge. Erst mit der Pubertät zeichne sich eine Überlegenheit der männlichen gegenüber den weiblichen Jugendlichen ab. Kräftige Hornusser könnten den Hornuss dann bis zu 330 Meter weit schlagen. Doch davon lässt sich Christa Krähenbühl nicht entmutigen.

Anders als Stefan Röthlisberger, der den Leistungsunterschied auf die Schnellkraft und die Wendigkeit zurückführt, erklärt ihn sich Krähenbühl folgendermassen: «Es liegt am Körperbau und der Muskelkraft.» Mit ihrer Körpergrösse von 150 Zentimeterm schlage sie den Hornuss zwar nicht gleich weit wie ein Mann, doch weniger wendig sei sie nicht.
Krähenbühl schätzt die strategische, körperliche und technische Forderung beim Hornussen. Massgebend für einen guten Schlag sei auch die Technik. Und um diese auszufeilen, braucht es regelmässige Übung.
Die zwei Erwachsenenteams von Eriswil (1. Liga und 5. Liga) trainieren wie der Nachwuchs auch pro Woche einmal. Das Training findet am Abend statt.
In der Rochade mit Jodel und Schwingen
Im Dunkeln ist es schwierig, den Hornuss herunterzuholen. Deswegen bildet der Wechsel zur Sommerzeit den Saisonauftakt. Verschiedene Wettspiele, Feste und eine Meisterschaft folgen, alle drei Jahre findet das Eidgenössische Hornusserfest statt. Das Hornussen wechselt sich dabei mit Schwingen und Jodeln ab. Wenn die Tage wieder kürzer werden und im Herbst Nebel vom Boden emporsteigt, geht die Saison zu Ende.
Für Christa Krähenbühl ist das Hornussen ein willkommener Ausgleich zum Alltag. Die 34-Jährige ist als Fachfrau Hauswirtschaft in der Erwachsenenbildung tätig. Bereits während der Lehre ersehnte sie das Training oder ein Spiel am Wochenende: «Zum Auspowern. Einfach Kopf runter und hü», sagt sie. Wichtig sei ihr auch der Teamzusammenhalt.
Stefan und sein Bruder Michael Röthlisberger spielen auch aktiv in der Hornussergesellschaft. Die Teams haben zwar einen sogenannten Spielführer, aber keinen fixen Trainer. «Ein Mentor würde uns sicher voranbringen, und so könnten wir wohl auch ein bis zwei Ligen aufsteigen», sagt Stefan Röthlisberger. Aber dafür fehle vermehrt der «Biss», auch bei ihm. «Wir sind etwas weich geworden», sagt Stefan Röthlisberger. «Die Leute haben nicht mehr so viel Zeit.» Dabei schliesst er sich selbst mit ein.
Christa Krähenbühl hatte als Kind kein weibliches Idol. Ob sie nun ein Vorbild für ihre Nichte sein kann? Vielleicht hornusst die 7-Jährige dann im Alter von 34 Jahren immer noch.