Die Matiles halten in Heimiswil 6000 Legehennen unter einem Dach mit Auslauf. Was es für sie heisst, wenn die Massentierhaltungsinitiative angenommen wird, ist jetzt schon klar.
Maël Matile öffnet den Zaun zur Weide. Schon kommt das erste Huhn entgegen, gefolgt von einem zweiten und dann einer ganzen Horde. «Unsere Kinder sind oft bei ihnen», sagt er. Diese Legehennen scheuen die Menschen nicht, das direkte Sonnenlicht hingegen schon. Unter dem runden Dutzend Obstbäumen auf der Weide finden sie Schatten.
Das Komitee der Massentierhaltungsinitiative fordert fünf Quadratmeter Aussenfläche pro Huhn. Bei Matile ist es gut die Hälfte je Huhn. Doch der diplomierte Geflügelzüchter hält Schattenplätze für wichtiger als mehr Fläche.
Den Hof auf dem Gutisberg im emmentalischen Heimiswil hat das Paar Maël und Sabine Matile vor vier Jahren von ihren Eltern übernommen und für 1,3 Millionen Franken neu aufgestellt. Statt dass hier wie zuvor Kühe Milch geben, legen nun Hühner Eier. Und zwar in einem besonders tierfreundlichen Stallhaltungssystem (BTS) und mit regelmässigem Auslauf (Raus). Diese beiden Gütesiegel werden von einem unabhängigen Kontrolldienst überprüft und finanziell vom Bund gefördert.
Das Paar betreibt Ackerland, sein Hauptbetriebszweig sind die 6000 Legehennen. Zudem hält es Junghennen, die es verkauft, Engadinerschafe, die momentan auf der Alp weiden, Kaninchen und Bienenvölker. Mit der Initiative müssten die beiden zwar hauptsächlich die Hühnerhaltung anpassen, obwohl diese vorbildlich wirkt. Doch dies hätte Folgen für den ganzen Betrieb.
Zwei zusätzliche Ställe
Momentan leben auf dem Hof alle Legehennen im selben Gebäude. Sagt die Bevölkerung am 25. September Ja, dürften unter einem Dach noch 2000 Legehennen hausen. Also müssten zwei neue Ställe hin.
Dafür hätten die Matiles zwar genug Land: «Aber dann fehlen uns Felder für Getreide, Kartoffeln und Raps.» Um schweizweit dieselbe Menge an Eiern wie heute zu produzieren, müssten laut dem Berner Bauernverband 1300 neue Ställe gebaut werden. «Das ist fürs Landschaftsbild unschön und raumplanerisch unmöglich», sagt Matile. Deshalb ist er gegen die Initiative.
Würde das Paar Matile lediglich einen zusätzlichen Stall bauen, müsste es dennoch 800’000 Franken investieren. «Dieses Geld aufzubringen, wäre für uns unmöglich», sagt Matile. Ausserdem müssten sie 2000 Hühner weggeben, hätten weniger Hofdünger und weniger Einnahmen. «Unser Hauptbetriebszweig würde zum Nebenbetrieb werden», prognostiziert Matile.
Draussen haben die Hühner viel Platz. Im Wintergarten stehen sie etwas dichter beisammen. Hier flattert eine Henne auf, dort eine andere, und alle gackern durcheinander. «Das ist ein gutes Zeichen», sagt der Landwirt. Stille hingegen wäre alarmierend: «Das würde darauf hindeuten, dass es einem oder mehreren Hühnern nicht gut ginge.»
Das Ei wäre doppelt so teuer
Der 33-Jährige hebt ein Ei vom bestreuten Boden hoch. «Das Huhn legt es dort, wo es sich wohlfühlt oder wo bereits Eier liegen.» Dafür gibt es an einem stillen Ort im Stallinnern ein Nest, das sich jeweils fünf bis acht Hühner teilen.
Müsste er den Hof dem geforderten Standard der Initiative anpassen, würde sich der Preis des einzelnen Eis verdoppeln, schätzt Matile: Im Hofladen würde es 90 statt 45 Rappen kosten, im Detailhandel neu über einen Franken.
Im Stallinnern ist eine zweistöckige Voliere aufgetürmt. Zwischen einigen Hühnern ist eine grössere Lücke, andere stehen Feder an Feder auf der Stange. «Sie suchen die Nähe zueinander, das gibt ihnen Sicherheit», sagt Matile. Hinter der Voliere befinden sich die Nester.
Zurück auf der Weide, staubbadet ein Huhn gerade in der Erde. Sobald Regen gefallen ist, lockt es laut Matile jeweils mehr Hühner nach draussen: Dann machen sie Jagd auf die Würmer. Nur in den kalten Monaten wird es eng in Wintergarten und Voliere.
Die Forderungen der Initiative müssten innerhalb von 25 Jahren umgesetzt werden. Und rund 25 Jahre hat das Paar auch eingeplant, um die 1,3 Millionen Franken zu amortisieren, die sie vor vier Jahren in den Hof investiert haben. Das würde perfekt aufgehen – oder? Der Landwirt hält entgegen: «Wenn wir unseren ersten Hühnerstall abbezahlt haben, können wir nicht gleich wieder Geld aufnehmen.»
Weniger Konsum, weniger neue Ställe
Gehen die Forderungen des Komitees zu weit? Zur Finanzierungsfrage sagt Co-Kampagnenleiter Philipp Ryf vom Initiativkomitee auf telefonische Anfrage: «Der Bund müsste die Bauernbetriebe beim Strukturwandel finanziell unterstützen.» Die Initiative gegen Massentierhaltung richte sich in erster Linie gegen Ställe mit 27’000 Masthühnern, die mit Landwirtschaft nichts mehr zu tun hätten – nicht gegen solche wie den geschilderten Hof von Matile.
Trotzdem hält Co-Kampagnenleiter Ryf bezüglich des Auslaufs fest: «Schattenplätze sind genauso wichtig wie die Aussenfläche. Es soll kein Entweder-oder sein.»
Dem Argument, dass die Umsetzung der Initiative raumplanerisch kaum möglich sei, hält Co-Kampagnenleiter Ryf entgegen, dass bei einer Annahme die notwendige Folge sei, den Konsum von Tierprodukten zu verringern. «Dadurch müssten nicht so viel neue Ställe gebaut werden.»
Auf Matiles Hof spaziert derweil ein Huhn auf der anderen Seite des Zauns. «Dieser Zaun ist nur vorübergehend», erklärt er. «Die Hühner laufen nicht zu weit weg und meistens kommen sie von allein wieder zurück.» Zur Sicherheit macht der Familienvater abends gemeinsam mit den Kindern eine Runde und sammelt die ausgebüxten Hühner ein. So sind alle zurück im Stall, bevor allenfalls ein Fuchs umherschleicht. Und bald installiert der Landwirt einen fixen Zaun.