Der Mücke fehlt dieses Jahr ihre Brutstätte

Anders als die Wespen kämpfen die Stechmücken in diesem Sommer mit einem Tief. Die Dürre macht ihnen zu schaffen.

Diese Saison viele Mückenstiche kassiert? Ja? Dann gehören Sie wohl eher zur Ausnahme. Egal ob in einem Garten in Hindelbank oder in einem Schlafzimmer in der Stadt Bern – diesen Sommer scheinen weniger Blutsauger herumzusurren. Was setzt ihnen zu?

«Das Schlimme ist die Trockenheit», sagt Mückenexperte Alexander Mathis von der Universität Zürich. Wegen der Dürre fehle vielen Stechmücken die Brutstätte. Denn sie legen ihre Eier am liebsten in Pfützen oder in den Untertopf einer Pflanze. Das Wasser muss dann zehn bis vierzehn Tage stehen bleiben, bis die Larven schlüpfen und sich daraus Mücken entwickeln. Kein stehendes Wasser, keine Larven, keine Mückenstiche.

Dieser quasi mückenfreie Sommer steht im starken Gegensatz zur letzten Saison: Damals hat Mathis nach der Überschwemmung des Bielersees beim Aufräumen geholfen. «Das schaffte man nicht ohne Antibrumm.»

Der Sommer 2021 war eine Ausnahme. Es gab laut Mathis am Bielersee so viele Stechmücken, weil das Wasser über die Ufer ging und rund eine Woche lang Tümpel übrig blieben. Somit hatten die Larven genügend Zeit, um sich zu entwickeln und zu schlüpfen. Ansonsten könnten sich am See keine Stechmücken verbreiten. Dort gibt es für sie zu viele natürliche Fressfeinde wie etwa Fische, Molche – oder andere Insekten, die sich ebenso von den Larven der Stechmücken ernähren. Auch wenn sie Menschen nerven und piesacken: «Mücken machen in der Natur durchaus Sinn», sagt Mathis.

Die Kriebelmücke hingegen kämpfe diesen Sommer nicht ums Überleben. Sie hat denn auch einen anderen Lebensraum als die Stechmücke: Wohl fühlt sie sich an Fliessgewässern. Dort gibt es wenig Veränderung – es sei denn, der Fluss trockne aus, wie etwa die Emme diesen Sommer. Die Kriebelmücke sieht aus wie eine Fliege. Sie sauge aber Blut, sagt Mathis, meist bei Tieren, manchmal auch bei Menschen. Und sie habe einen deutlich gröberen Stechrüssel als die Stechmücke. «Die Stiche tun dann sehr weh.» Die Kriebelmücke gebe es jedoch nicht in hohen Populationen, und momentan sei da kaum eine Veränderung zu beobachten.

An Gewässern sei dieses Jahr generell bei stechenden Insekten kaum ein Unterschied zu anderen Jahren zu erkennen. Fliegen und Bremsen gebe es wohl auch nicht weniger. Diese nutzen künstliche Bruthabitate wie etwa Kuhtränken auf Weiden und in Ställen.

Extreme Zeiten

Letztes Jahr die Überschwemmungen, dieses Jahr die Dürre. «Die Extreme sind das Beunruhigende», sagt Mathis. Die Hitze sei das eine, die Trockenheit das andere. Das wirkt sich bekanntlich nicht nur auf die Welt der Insekten, sondern etwa auch auf die Energieversorgung aus: Mathis weist darauf hin, dass durch den Wassermangel manche Wasserkraftwerke weniger Strom liefern könnten. Da sagt selbst er, der sich täglich mit Mücken beschäftigt: «Die fehlenden Stechmücken werden in Zukunft womöglich nicht das schlimmste Problem sein.»

Und vielleicht braucht es schon bald wieder ein Antibrumm: Der angekündigte Regen in den nächsten Tagen wird auf warmen Untergrund treffen. Somit werden sich die Stechmücken laut Mathis in kleinen Pfützen entwickeln können. «In manchen Jahren wurde im September die höchste Zahl an Mücken verzeichnet.»